Von Martin Frischknecht
Frühere Exponenten nannten die Sache noch forsch beim Namen: Die Kraft des positiven Denkens des amerikanischen Pfarrers Norman Vincent Peale ist ein Motivations- und Erfolgsbuch, das sich seit Jahrzehnten gut verkauft, Sorge dich nicht, lebe! von Dale Carnegie erfreut sich seit sechzig Jahren eines regen Zuspruchs, und das 1962 veröffentlichte Die Macht Ihres Unterbewusstseins von Joseph Murphy ist ebenfalls nicht unterzukriegen.
Am schlüssigsten auf den Punkt brachte die Botschaft ein Mann namens Napoleon Hill: Denke nach und werde reich! Reich geworden sind die Autoren dieser Bestseller selbstverständlich allesamt. Ob sich das in Aussicht gestellte Lebensglück auch auf ihre Leser übertragen hat, muss bezweifelt werden. Der Effekt, den diese Art von Literatur mit sich bringt, ist meist heftig aber kurz. Auf die anfängliche Begeisterung beim Lesen folgt eine Phase der Ernüchterung. Wenn es darum geht, die neuen Rezepte im eigenen Leben umzusetzen, gerät die Sache ins Stottern.
Irgendwie steht der Verwirklichung im Alltag mehr Widerstand entgegen als erwartet. Da fällt es ungleich leichter, zum Ratgeber der nächsten Saison zu greifen und seine Begeisterung auf eine neue Sammlung von Rezepten auszurichten. Die Botschaft dieser Fast-Food-Lebenshilfe ist so simpel wie einleuchtend: Da wir Menschen Wirklichkeit immer nur als Konstruktion unseres Denkens erkennen, geschieht die entscheidende Veränderung von Wirklichkeit in unserem Denken.
Wer positiv denkt, erfährt die Welt positiv, wer sein Denken auf Erfolg ausrichtet, zieht den Erfolg an. Die Magie des Denkens sorgt dafür, dass wir über unsere Gedanken zur Welt in Resonanz stehen, dass wir ernten, was wir in Gedanken säen.
Wer das mentale Grossreinemachen nicht bei Organisationen wie Scientology, Avatar oder The Centers Network betreiben will, versucht es im Selbststudium. Affirmationsbücher von Louise Hay und Stuart Wilde leisten in der Hinsicht getreulich ihre Dienste – und erzielen Grossauflagen. Seit der Schweizer René Egli in den achtziger Jahren Das LOL2A-Prinzip veröffentlichte, sind auf dem Markt auch europäische Autoren gut im Geschäft. Bestellungen beim Universum von Bärbel Mohr hat sich seit bereits über eine Million mal verkauft. What the Bleep Do We (K)now? schraubte die Begeisterung für diese Botschaft in multimediale Höhen.
Dieser Dokumentarfilm stellte geschickt einen Zusammenhang her zwischen dem, was Gesundbeter, Positivdenker und Motivationstrainer verbreiten und neuen Erkenntnissen aus Physik, Neurologie und Psychologie.
Die in rascher Abfolge sprechenden Gewährsleute scheinen sich einig in der Grundaussage, dass wir es sind, die wie Götter die Welt erschaffen. Bei näherer Betrachtung fällt an dem Film allerdings auf, dass die Macher bei der Auswahl und Präsentation ihres Materials sehr viel taten, um den Eindruck der Einmütigkeit von Wissenschaft und Esoterik hinzubügeln.
Die Eingeweihten
Die australische TV-Journalistin Rhonda Byrne fühlte sich durch eine Krise in ihrem Leben dazu berufen, die Gesetze von Anziehung und Denken tiefer zu ergründen. Mit einem Kamerateam machte sie sich auf die Reise zu Experten, die dazu etwas zu sagen haben. Nicht ganz überraschend traf sie sämtliche dieser Fachleute in den USA, und alle waren sie telegene, überaus erfolgreiche, charismatische Gesprächspartner, die ihr freimütig vom Zusammenhang von Denken, Wünschen und Erfüllen berichteten. Obwohl diese Erfolgsprofis keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen, ihre Rezepte in aller Welt zu verbreiten und dies über eigene Websites, Kurse, Bücher und dergleichen mehr auch permanent tun, verfiel Rhonda Byrne auf die Idee einer exquisiten Verpackung: Trommelwirbel, Rascheln, Tusch – The Secret, Das Geheimnis ist da! Was Platon, Leonardo und Einstein immer schon wussten, das enthüllt jetzt ein Film, ein Buch, und ein Audiobuch für Sie.
Das alles erscheint in altertümelnder Aufmachung und wird auf modernste Weise vermarktet von internationalen Grossverlagen. Wollen Sie wissen, wie Sie garantiert reich, glücklich und gesund sein können? Greifen Sie zu, lassen Sie sich beraten von weltweit führenden «Moneymakers», von Bestsellerautoren wie John Gray und Neale Donald Walsch und von Coaches, die schon manches Unternehmen zu blühendem Erfolg führten.
Sie alle sind sich einig: Wer richtig denkt und fühlt, dem gehört die Welt. «Warum, meinen Sie, verdient 1 Prozent der Bevölkerung rund 96 Prozent des Geldes? Halten Sie das für einen Zufall? Es ist so eingerichtet. Sie haben etwas verstanden. Sie verstehen das Geheimnis», belehrt uns ein Bob Proctor, der «die Fackel der Weisheit» vom bereits erwähnten Napoleon Hilll übernommen haben will. Novartis-Chef Daniel Vasella gehört dazu, Nestlés Peter Brabeck sowieso und Christoph Blocher natürlich auch. Sie alle verstehen das Geheimnis. Wir nicht. Das heisst, jetzt dann schon. Bald schliessen wir auf in den Kreis der Wohlhabenden – The Secret sei Dank. Bill Gates, der reichste Mensch der Welt (stimmt nicht mehr: Inzwischen ist ein Mexikaner, nämlich Carlos Slim mit geschätzten 67,8 Milliarden Dollar ist inzwischen der reichste Mann der Welt - luckyfolks) , gehört nach dieser Logik gewissermassen zum Hochgrad der Eingeweihten.
Wenn diesem Mann das Wohl der Menschheit am Herzen läge, müsste der dann nicht millionenfach The Secret in Afrika verteilen lassen, statt mit seinem Geld die Aids-Forschung voranzutreiben und wohltätige Stiftungen zu finanzieren? Auf seltsame Gedanken kommt man da. Abwegige Gedanken, Gedanken, die einen wegführen von der Strasse des Erfolgs.
Die «Totale Methode»
Roger-Pol Droit hat seine Gedanken noch ein bisschen weiter schweifen lassen. Der französische Philosoph ist wohl kein besonders reicher Mann, geistreich ist er aber bestimmt. Er hat den Wahn seiner Zeitgenossen aufs Korn genommen und sich eine fiktive Geschichte über Gurus und Scharlatene einfallen lassen. Glücksmacher erzählt von zwei Philosophiestudenten, die es mit der Vermarktung haltloser Versprechen zu Millionen bringen.
Die «Totale Methode» ist haarsträubend, und doch sind einige ihrer Aussagen nicht ganz von der Hand zu weisen. Woran es bedenklich hapert, sind Motivation und Ethik des Unternehmens. Daran zerbricht die Höllenmaschine denn auch schliesslich. Ein Forscher schreibt im Nachruf:«Es ist einfacher zu träumen, als zu handeln. Es ist angenehmer, sich vorzustellen, man sei glücklich, weise, vollkommen verwirklicht, als Schritt für Schritt vorzugehen, unsicher und manchmal auch entmutigt, um sich wirklich zu verändern, wohl wissend, dass das Ergebnis stets ungewiss und zufallsabhängig bleibt (…)
Das Bemühen, die positive Bilanz zu steigern, ist legitim und manchmal auch machbar. Dagegen ist der Versuch, die negativen Aspekte ganz zu beseitigen, nicht nur unmöglich, sondern auch unmenschlich».
Literatur: Rhonda Byrne: The Secret – Das Geheimnis. Arkana Verlag, München 2007, 240 Seiten, Fr. 30.90.Roger-Pol Droit: Glücksmacher. Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, 224 Seiten, Fr. 31.90.
Erschienen in SPUREN - Magazin für neues Bewusstsein Nr. 84 Sommer 2007
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gefunden von luckyfolks
Freitag, 9. November 2007
The Secret: Das Geheimnis der Reichen
Eingestellt von ChrisFrede_aka_Luckyfolks um 21:20
Labels: Bärbel Mohr, Dale Carnegie, das Geheimnis der Reichen, Joseph Murphy, Norman Vincent Peale, Rhonda Byrne, Roger-Pol Droit, The Secret