Sonntag, 2. September 2007

Der Mensch – ein Automat auf Neuronenbasis? von Kirsten Erlenbruch




Die westliche Welt orientiert sich weitestgehend an dem Prinzip, dass wir sind, was wir denken. Will heißen: Wir definieren uns über unseren Verstand. Kein Gedanke heißt folglich auch – kein Mensch.



Und auf unsere Ratio, unsere vermeintliche Intelligenz bilden wir uns eine ganze Menge ein.

Ist es doch genau das, was uns von den Tieren zu unterscheiden scheint. Da können wir mit den Schimpansen noch so lange 98% unseres Erbguts teilen, letztlich sind wir es, die Autos und Computer bauen und den Planeten verschmutzen. Wir sind so vernarrt in unseren Verstand, dass wir dabei ein kleines, aber letztlich ausschlaggebendes Detail außer Acht lassen.

Die Tatsache nämlich, dass wir weitaus weniger von unserem Verstand geleitet werden,

als vielmehr von unserem Unterbewusstsein resp. von zum Zwecke der Automatisierung abgespeicherten Erfahrungen.

Das hat, rein physisch betrachtet zum Beispiel den angenehmen Nebeneffekt, dass unsere Verdauung dankenswerter Weise ohne den Beitrag unseres Verstands, ganz automatisch funktioniert, ebenso wie unser Herzschlag, unsere Atmung usw. – also alle Körperfunktionen.

Während wir dies als angenehm und gegeben hinnehmen, können andere automatisierte Bereiche schon weitaus kritischer betrachtet werden. Nehmen wir an, Sie fahren in den wohlverdienten Urlaub, beziehen ein gemütliches Zimmer in einem schönen Hotel, richten sich dort häuslich ein und benutzen zum ersten Mal das Badezimmer, um genauer zu sein, die Toilette.

Wie Sie es gewohnt sind, greifen Sie nach Verrichtung des Notwendigen zum Toilettenpapier und – greifen ins Leere.

Irritation, der Adrenalinspiegel steigt ein wenig, ein verdutzter Blick zu Seite. An der vermuteten Stelle, nämlich die Stelle, an der sich bei Ihnen zu Hause das Toilettenpapier befindet, befindet sich hier – Nichts.

Das Toilettenpapier ist hier genau auf der anderen Seite angebracht. Sie dürfen getrost davon ausgehen, dass Sie in den kommenden Tagen noch mehrmals gedankenverloren ins Leere greifen werden.

Um uns den Alltag zu erleichtern hat unser Gehirn nämlich so etwas wie eine Datenautobahn angelegt, die Sie dazu befähigt, ohne darüber nachzudenken oder auch nur Hinsehen zu müssen, an der richtigen Stelle nach dem Toilettenpapier zu greifen.

Wunderbar nicht wahr? Ärgerlich nur, wenn die Gegend in der wir uns real befinden, leider nicht mehr der Landkarte entspricht, die wir im Kopf abgespeichert haben.

Dann funktioniert die Datenautobahn nämlich nicht mehr und nicht nur das, wir sind für einige Zeit reichlich irritiert. So kann es Ihnen durchaus passieren, dass Sie am nächsten Morgen im Hotelbadezimmer verzweifelt nach Ihrer Zahnbürste Ausschau halten, die eben, dem veränderten Platzangebot des gemieteten Badezimmers Tribut zollend, an einem anderen Platz weil, als sie das zu Hause zu tun pflegt. Natürlich ist die Zahnbürste da, Sie erinnern sich, sie eingepackt zu haben, und auch wieder ausgepackt aber wo nur haben Sie sie dann hingestellt.

An diesen Stellen muss unser Gehirn schon am frühen Morgen Höchstleistungen erbringen – von wegen Urlaub und Erholung.

Solche kleinen Phänomene des Alltags kennen auch Ehepaare zur Genüge und oft genug führen sie mithin zu heftigeren Wortwechseln. Sie zu ihm: „Hol’ doch mal zwei Weingläser aus dem Küchenschrank“. Er steht vor dem mit Gläsern gefüllten Schrank und sieht den Wald vor lauter Bäumen, in diesem Fall die Weingläser vor lauter Glas nicht.

Folgerichtig kommt der Ruf zurück: „Wo sind die, Liebling?“ Je nachdem wie lange die beiden bereits Ihr Leben miteinander fristen, wird die Antwort der Hausfrau mehr oder weniger geduldig ausfallen.

Im schlimmsten Fall steht sie in wenigen Sekunden wutschnaubend hinter Ihrem Gatten, greift ohne Hinzusehen in den Schrank und entnimmt diesen mit dem schnöden Kommentar „Da!“ (nicht gesagt bleibt: Du Depp!) zwei Weingläser.

Liebe Ehefrauen, kriegt Euch wieder ein. In Eurem Kopf ist eine genaue Landkarte des Gläserschranks abgespeichert, der im Kopf Eurer geliebten Gatten leider völlig fehlt.

An dieser Stelle befinden sich in Männerköpfen sämtliche Formel 1-Rennstrecken. Also stehen Männer beim Öffnen des Küchenschranks vor einem gänzlich unbekannten Terrain, zu dessen Erkundung sie auch unter Zuhilfenahme eines Navigationssystems erst Mal einige Zeit benötigen würden. Da Sie den Wein wahrscheinlich noch am gleichen Abend zu trinken gedachten, ist die Frage „Wo?“ ein regelrechte Prozessbeschleunigung.

Tatsächlich ist es so, dass der menschliche Organismus nach dem Prinzip „minimaler Aufwand bei maximalem Ertrag“ funktioniert und zwar in allen Bereichen. So speichert unser Gehirn Wiederholungen ab, bildet aus einzelnen Neuronenverbindungen langsam ganze Neuronen-stränge, also regelrechte Datenautobahnen und hilft uns die alltäglichen Kleinigkeiten weitestgehend zu automatisieren, so dass sie nicht Tag für Tag erneute Denkleistung erfordern.

Das Wiederholungsmuster dürfte uns noch aus Schultagen bekannt sein, wo man uns zwang den erlernten Stoff auch immer und immer wieder durchzukauen, bis er irgendwann nahezu automatische Antworten produzierte.

So kommt es, dass ich bis heute noch den Anfang der Aeneis auswendig im entsprechenden Versmaß herunterleiern kann, auch wenn ich dafür nur wenig nützliche Verwendung habe.

Es ist also in der Tat so, dass wir einen Großteil unseres täglichen Lebens so zu sagen im Autopilot-Modus verbringen, ohne weiter darüber nachzudenken.

Die frei gewordenen Kapazitäten in unserem Gehirn können wir dann (nein nicht zum Fernsehen) dazu nutzen, uns Sorgen über die Zukunft zu machen, uns zu überlegen, warum der blöde Nachbar schon wieder nicht gegrüßt hat oder Pläne zu schmieden, wie wir dieses Woche dem unvermeidlichen Besuch des geliebten Schwiegertigers doch noch entkommen könnten.

Aber auch wenn diese nutzbringende Verwendung unseres Gehirns ein anderes Thema ist, sei Ihnen dennoch empfohlen häufiger mal Ihre Gewohnheiten zu verändern (Sie müssen ja nicht gleich den Toilettenpapierhalter aus der Wand reißen), andere Wege zu gehen.

Das hält, so die Wissenschaft, unser Gehirn jung und aktiv. Also, täglich ein neuer Platz für die Zahnbürste schützt auch Sie vor Alzheimer. Wie Sie darüber hinaus vom reinen Hirnbesitzer zum aktiven Hirnbenutzer werden, erfahren Sie unter anderem in den Mentaltrainings von Life²-Seminare.

Hintergrundinformationen und aktuelle Termine finden Sie unter http://www.life2.de/

Artikel: Der Mensch – ein Automat auf Neuronenbasis?" von Kirsten Erlenbruch